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Fotocredits: Willem Vernes Fotografie

Schiedsrichter

Christian Blasch - eine Schiedsrichterlegende verabschiedet sich von der internationalen Bühne

01. April 2023

Er weiß, wie es ist, bei einer Heim-EM auf dem Kunstrasen zu stehen. Christian Blasch war bereits bei der Europameisterschaft 2011 in Mönchengladbach als FIH-Schiedsrichter im Einsatz. Sein Karrierehöhepunkt war das olympische Finale in Rio de Janeiro 2016, das er als Unparteiischer leitete. Mit 48 Jahren muss sich der Profi-Schiedsrichter aus dem internationalen Geschäft verabschieden. Im EM-Interview nimmt Christian Blasch Abschied von der internationalen Bühne und spricht über seine Erfahrungen bei der Heim-EM.

Christian Blaschs internationale Turnierübersicht:

JahrTurnierSpiele
994 - NATIONS TOURNAMENT (WETTINGEN)4
 LÄNDERSPIELSERIE (AUS)6
004 - NATIONS TOURNAMENT (BARCELONA)2
 4 - NATIONS TOURNAMENT (HAMBURG)3
0111th SULTAN AZLAN SHA CUP (KL)5
02EUROPEAN NATIONS CUP QUALIFIER 2002 (DUBLIN)4
 CHAMPIONSTROPHY 2002 (COLOGNE)5
03EUROPEAN NATIONS CUP 2003 (BARCELONA)6
 EUROPEAN NATIONS CUP 2003 (INDOOR/SANTANDER)5
 1st MEN'S INDOOR WORLD CUP6
04OLYMPIC QUALIFIER 2004 (MADRID)6
 4 - NATIONS TOURNAMENT (HAMBURG)3
 4 - NATIONS TOURNAMENT (DÜSSELDORF)3
 OLYMPIC GAMES 2004 (ATHENS)5
06WORLDCUP QUALIFIER CHANGZHOU 20067
 4 - NATIONS TOURNAMENT (HAMBURG)3
 WORLDCUP MONCHENGLADBACH 20067
074 - NATIONS TOURNAMENT (HAMBURG)3
 EUROPEAN NATIONS CUP 2007 (MANCHESTER)4
 2st MEN'S INDOOR WORLD CUP6
08CHAMPIONSTROPHY 2008 (ROTTERDAM)6
 OLYMPIC GAMES 2008 (BEIJING)7
094 - NATIONS TOURNAMENT (HAMBURG)3
 EUROPEAN NATIONS CUP 2009 (AMSTERDAM)4
10WORLDCUP DELHI 20106
11EUROPEAN NATIONS CUP 2011 (M'GLADBACH)4
12OLYMPIC QUALIFIER 2012 (DELHI)4
 OLYMPIC TEST EVENT 2012 (LONDON)2
 4 - NATIONS TOURNAMENT (DÜSSELDORF)3
 OLYMPIC GAMES 2012 (LONDON)6
13WORLDLEAGUE R3 (JOHOR BAHRU)5
144 - NATIONS TOURNAMENT (DÜSSELDORF)3
 WORLDCUP THE HAGUE 20145
166 - NATIONS TOURNAMENT (VALENCIA)4
 OLYMPIC GAMES 2016 (RIO DE JANEIRO , inklusive Finale) 7
18CHAMPIONSTROPHY 2018 (BREDA)5
19HOCKEY PRO LEAGUE 20199
 OLYMPIC QUALIFIER 2019 (LONDON)5
20HOCKEY PRO LEAGUE 20202
21HOCKEY PRO LEAGUE 20212
22HOCKEY PRO LEAGUE 20227

Christian Blsch, erst einmal herzlichen Glückwunsch zu einer fantastischen, internationalen Hockey-Schiedsrichter Karriere. Wieso endet diese jetzt? 
Vielen Dank. Es gibt Richtlinien der FIH, die besagen, dass mit Vollendung des 47. Lebensjahres die internationale Schiedsrichterkarriere automatisch endet. Auch wenn man sich noch nicht so alt fühlt, ist es nun soweit.

Du hast eine großartige Schiedsrichter Laufbahn hinter dir. Wie würdest Du diese in drei Worten beschreiben? 
Nachdem ich den Brief von der FIH erhalten hatte, habe ich natürlich alles noch einmal Revue passieren lassen. Ich kann nur sagen, dass es eine unglaubliche Reise war. Es war sehr aufregend und ich habe viele Orte auf der Welt gesehen, die ich sonst nie besucht hätte. Außerdem habe ich Freunde auf der ganzen Welt gefunden. Auch ein Teil des Top Hockeys zu sein, war eine unglaubliche Erfahrung. Ich möchte diese Zeit nicht missen, es war eine wahnsinnig schöne Reise, die irgendwie auch sehr schnell zu Ende ging.

 Wie bist Du damals überhaupt zum Hockeysport und zum Pfeifen gekommen?Ich komme aus Mülheim und meine Nachbarn waren damals die Tewes. Durch sie bin ich zum Uhlenhorst Mülheim gekommen. Dort habe ich selbst lange in der Jugend gespielt und bin viermal Deutscher Jugendmeister geworden. Bei Turnieren kam irgendwann die Frage auf, wer denn auch mal pfeifen würde. Eigentlich durch Zufall habe ich dann einfach mal zwei Spiele gepfiffen und bin dann kurzfristig über den Westdeutschen Hockeyverband zu einem Jugendlehrgang gefahren. Von da an war man eigentlich im positiven Sinne gefangen. Ich war nie ein schlechter Hockeyspieler, hatte aber am Ende mehr Talent zum Pfeifen als zum Spielen.

Über was für einen Zeitraum sprechen wir zwischen deinem ersten Mal Pfeifen bis zu deinem ersten Länderspiel?
Mit 16/17 habe ich meine ersten Jugendspiele gepfiffen und bin dann relativ schnell mit Anfang 20 in die Bundesliga gekommen. Ungefähr in diesem Alter habe ich auch mein erstes Länderspiel gepfiffen. Auch damals hatten wir eigentlich schon das gleiche Problem wie heute, dass es wenig Nachwuchs im Schiedsrichterbereich gab und so konnte ich schnell Bundesliga und Länderspiele pfeifen.

Wenn man in Deutschland etwas mit Hockey zu tun hat, hört man eigentlich immer wieder, dass es einen Mangel an Schiedsrichtern und ein generelles Problem gibt. Stimmst du dem zu?
Ja, auf jeden Fall. Ich bin auch im Schiedsrichterausschuss und wir sind in erster Linie nur für den Deutschen Hockey-Bund zuständig. Wir können aber auch nur das ausbilden, was die Landesverbände zur Verfügung stellen. Das Problem ist nach wie vor, dass meiner Meinung nach auch bei den Vereinen das Bewusstsein fehlt, dass ein Schiedsrichter einfach dazugehört. Ohne Schiedsrichter kein Spiel. Wir sind in Anführungszeichen eine aussterbende Rasse und es wird langsam schwierig, alle Spiele zu besetzen. Im Moment sind wir im Austausch mit dem DHB und der Hockeyliga, weil wir hier noch einmal die Werbetrommel rühren müssen. Niemand steht Schlange, um Schiedsrichter zu werden.

Videocredits: DHB Hier gibt es das komplette Interview

Zurück zu deiner Karriere: Was unterscheidet ein Bundesligaspieltag für einen Schiedsrichter von einem großen internationalen Turnier, wie es mit den EuroHockey Championships 2023 in Mönchengladbach ansteht? 
Den Fokus, den man hat. In der Bundesliga wird das Pfeifen schnell zur Routine. Man reist an, pfeift und fährt wieder nach Hause. International ist man in der Schiedsrichtergruppe zusammen, hat Breefings und Vorbereitungen und sitzt je nach Turnierlänge ein, zwei oder drei Wochen zusammen. Man versucht dann, als Gruppe aufzutreten und zu performen, denn die Schiedsrichter kommen aus der ganzen Welt und interpretieren die Dinge unterschiedlich. Bei den Turnieren versucht man das durch Besprechungen, Videoanalysen etc. anzupassen. Man beschäftigt sich wirklich mehrere Tage nur mit Hockey. Das ist der größte Unterschied.

Ist eine Heim-EM, du durftest es 2011 selbst erleben, für einen Schiedsrichter genauso besonders wie für einen Spieler?
Ja, ich denke schon. Ich würde aber auch sagen, dass es vielleicht auch ein anderer Druck ist. Wenn man ein Turnier ausrichtet, ist die Erwartungshaltung vor heimischem Publikum auch höher. Ich durfte die WM 2006 und die EM 2011 in Mönchengladbach pfeifen, das waren immer tolle Turniere und ein tolles Stadion für so eine Veranstaltung. Es ist auch immer eine Frage des Umfelds, ob man sich wohlfühlt. Das war in Mönchengladbach immer der Fall.

Ist es so gesehen auch für das deutsche Schiedsrichterbild wichtig, dass Deutschland seit 2011 endlich wieder ein großes internationales Turnier austrägt?
Ich glaube schon, dass die Wahrnehmung dadurch eine andere sein wird. Wir werden auch bei der Heim-EM 2023 zwei deutsche Vertreter am Start haben. Jede Plattform, die wir bekommen, ist wichtig, auch um Werbung für das Pfeifen zu machen. Insofern ist es wichtig, dass wir dort wieder vertreten sind. Es ist nicht selbstverständlich, dass man als teilnehmende Nation auch mit Schiedsrichtern vertreten ist. In unserem Fall haben wir also das Glück, dass wir zwei dabei haben.

Hast du schon Tickets für die EuroHockey Championships 2023 in Mönchengladbach?
Ich habe schon Tickets für das Finalwochenende gekauft. Aber je nachdem, wie es beruflich läuft, werde ich sicher auch unter der Woche kommen.

Tricky Frage: Als deutscher Schiedsrichter bei der EM: Freut man sich, wenn Deutschland nicht in das Finale einzieht, weil dann die Möglichkeit besteht, dass man es selbst pfeifen darf?
Das ist wirklich nicht leicht zu beantworten. Grundsätzlich freut man sich natürlich für die Jungs und Mädels, die man in der Bundesliga begleitet, wenn sie ins Finale kommen und die Chance auf einen Titel haben. Aber wenn man irgendwann als Schiedsrichter lange dabei ist, möchte man auch mal ein Finale pfeifen. Das muss man ganz klar sagen. Bei mir war es das Finale bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio. 2008 in Peking und 2012 in London haben die Männer Gold geholt und deshalb war ich schon froh, dass ich 2016 in einem Finale stehen durfte. Das war etwas Besonderes und wenn man so lange dabei ist, darf man sich auch solche persönlichen Ziele setzen.

Dann sind wir bei unserer letzten Frage: Was möchtest du nach dieser langen internationalen Karriere jungen angehenden Schiedsrichter*innen mit auf den Weg geben?
Meine Erfahrung ist einfach, dass man Teil des Sports bleibt. Wir reden hier von Leistungssport und der Aufwand ist hoch. Man muss regelmäßig etwas für seine Fitness tun und die Turniere nehmen viel Zeit in Anspruch. Auf diesem Topniveau Teil der Geschichte zu sein, hat mich immer begeistert. Wenn man auf dem Platz steht und die Spiele positiv beeinflussen kann, war das für mich immer die größte Motivation. Das Umfeld wird sicherlich härter, aber es ist eine Schule fürs Leben. Ich habe da super Erfahrungen gemacht. Die Entwicklung, mit den Herausforderungen und Aufgaben umzugehen. Es kann nicht jeder Nationalspieler werden, das ist auch klar. Es ist auch nur eine ganz kleine Elite, die sich da über die Jahre herauskristallisiert und jemand, der wirklich Bock und Lust auf Hockey hat, hat durch das Pfeifen eine Alternative um irgendwie Teil der Geschichte zu bleiben. Das war bei mir auch der Fall.